Fünf Filmcrews können sich über den Deutschen Kurzfilmpreis 2023 freuen. Nominiert waren zwölf Kurzfilme. Die Jurys Deutscher Kurzfilmpreis hatten sie aus 221 Vorschlägen ausgewählt. In voller Länge sind die ausgezeichneten Kurzfilme im kommenden Jahr auf der Kurzfilmtour in deutschen Kinos zu sehen. Hier finden Sie die Trailer sowie die Jurybegründungen.
Der Deutsche Kurzfilmpreis ist die wichtigste und höchst dotierte Auszeichnung für den Kurzfilm in Deutschland. Bei der Preisverleihung, die erneut in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel stattfand, wurden Filme in fünf Kategorien prämiert.
„Alex in den Feldern“
Adrian lebt auf einem Therapiehof in Süddeutschland, um von seiner Sucht loszukommen. Als Alex auftaucht und sich die beiden Außenseiter annähern, riskiert er alles zu verlieren.
Herstellung: Hochschule für Fernsehen und Film München
Federführung Produktion: Hochschule für Fernsehen und Film München
Regie: Marie Zrenner
Drehbuch: Marie Zrenner, Leo van Kann
Laufzeit: 19 Minuten
„Der Film steigt mitten rein ins Leben auf dem Bauernhof. Beim Ausmisten des Stalls wird die gewünschte Zigarettenpause nicht gewährt. Als endlich Zeit für’s Rauchen ist, stößt mit einer Bekanntschaft vom Vortag ein neuer Mensch zu der streng geregelten Gemeinschaft auf dem Therapiehof. Die Anziehung zwischen Adrian und Alex ist ebenso zu spüren wie ihr Gefühl von Einsamkeit und die Suche nach Orientierung und Geborgenheit.
Regisseurin Marie Zrenner erzählt uns bruchstückhaft und rau eine Geschichte über Sehnsucht, Zugehörigkeit und Selbstschutz. Dabei ist die Handkamera immer nah an den beiden Protagonisten.
Mit dem zurückgenommenen Spiel der Hauptdarsteller, den sehr authentischen Dialogen und einem Gedicht, das über allem schwebt, erzählt uns Alex in den Feldern eine berührende Geschichte voller Poesie, die uns angenehm viel Raum für eigene Betrachtungen und Interpretationen lässt.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2023.
„Xanh“
Duy Em stellt ihrem Vater die zentrale Frage, warum er sich nicht vor rassistischen Bemerkungen wehrt. Seine Antwort lässt beide in seine Vergangenheit, als einer der vietnamesischen Boatpeople, reisen.
Herstellung: Filmakademie Baden-Württemberg
Federführung Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg
Regie: Thi Dang An Tran
Drehbuch: Thi Dang An Tran
Laufzeit: 12 Minuten
„In der Küche eines asiatischen Schnellimbisses berichtet ein Vater während des Gemüseschneidens von einer rassistischen Beleidigung, worauf seine Tochter nachfragt, warum er, der bereits seit 40 Jahren in Deutschland lebt, sich nicht gewehrt habe. Es folgt die Schilderung seiner Flucht als einer der vietnamesischen Boatpeople, einer Odyssee, begleitet von Zurückweisung, Gewalterfahrung, Piratenüberfällen und Unwetter, aber auch von Momenten des Glücks beim Musizieren auf dem Boot oder der Arbeit in einer Flüchtlingsunterkunft. Dann mit leeren Händen in Deutschland anzukommen und sich trotz größter Schwierigkeiten zu behaupten – dagegen relativiert sich jede noch so beleidigende Aussage. Der Animationsfilmerin Thi Dang An Tran gelingt eine so einfache wie effektive Umsetzung: Das Kücheninterieur wird geflutet und verwandelt sich in eine Bühne der Erinnerung. Wie in einem Pop-up Bilderbuch staffeln sich Wellen und Boot, Bäume wachsen zu Dschungellandschaften, die Zeichnungen sind von ornamentaler Schönheit mit asiatischer Stilistik. XANH bedeutet
im Vietnamesischen sowohl Grün als auch Blau. Diese Ambivalenz beschreibt die Situation vieler ehemals Geflüchteter und findet so zu einem gelungenen Abschlussbild: Der Vater steht inmitten einer Take-Away China-Box, den deutschen Spruch auf den Lippen: Das schaffen wir schon!“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2023.
„INTO THE VIOLET BELLY“
Eine Protagonistin erzählt von ihrer Erfahrung, als junge Frau auf der Flucht aus Vietnam nach dem Ende des amerikanischen Krieges dem Tod ins Auge zu sehen.
Herstellung: Thuy-Han Nguyen-Chi mit Pam van Delyra
Federführung Produktion: Thuy-Han Nguyen-Chi
Regie: Thuy-Han Nguyen-Chi
Drehbuch: Thuy-Han Nguyen-Chi
Laufzeit: 19 Minuten
„Ausgehend von einem intimen Gespräch zwischen der Künstlerin Thuy-Han Nguyen-Chi und ihrer Mutter über Verlust, Trauma und die vietnamesische Diaspora entfaltet sich der Film „INTO THE VIOLET BELLY“. Während ihrer Flucht über das Meer sieht ihre Mutter – eine Nichtschwimmerin – sich gezwungen in die Tiefen des Ozeans zu springen. Dieser Sprung wird zum zentralen Reflexionspunkt des Films; er markiert zugleich einen Akt der Verzweiflung und einen radikalen Neubeginn. Als das Wasser sie umschließt wie einen Fötus im Mutterleib, bereitet sie sich darauf vor, zu ihren Ahnen heimzukehren. Jahrzehnte später hält sie in einem Berliner Filmstudio ein Huhn eng umschlungen im Arm und fragt es: „Kennen wir uns aus einem früheren Leben?” Auf behutsame Weise nähert sich die Filmemacherin den traumatischen Fluchterfahrungen ihrer Mutter an. Ein vielschichtiges, digital-poetisches Werk breitet sich wie ein Organismus aus, indem Migration, Mythologie und spekulativer Futurismus spielerisch zueinander finden.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2023.
„Ich darf sie immer alles fragen“
Das Fällen eines Kirschbaums wird zum Startpunkt eines intimen filmischen Dialogs zwischen Mutter und Tochter über ein transgenerationales Trauma.
Herstellung: Silke Schönfeld mit der Rijksakademie van beeldende kunsten, Amsterdam
Federführung Produktion: Silke Schönfeld
Regie: Silke Schönfeld
Laufzeit: 15 Minuten
„Du darfst mich immer alles fragen“, hat die Mutter der Tochter, der Filmemacherin Silke Schönfeld, gesagt. Und das macht Silke und besucht die Mutter im Garten; gerade, als der Kirschbaum gefällt wird, den der Vater und Opa vor 50 Jahren gepflanzt haben. Am Ende des Nachmittags ist vieles nicht ausgesprochen und doch vernommen. Der Baum liegt am Boden. In Bildern, die sich zwischen dem konkreten Tun und dem imaginären Raum für das Gestern verorten, treffen sich die beiden Frauen. Die Aussparung im Bild schenkt dem Nicht-Gesagten der Mutter und den Vermutungen und Gedanken der Tochter den Platz, den es braucht, um zu atmen. Die sensible Montage eröffnet den Raum für uns Zuschauende, um die eigenen Vermutungen, Gedanken, Gefühle schweifen zu lassen.
ICH DARF SIE IMMER ALLES FRAGEN ist ein berührender Film, in dem die Dimension der Selbstermächtigung in allem Trauma seinen Platz findet. Schönfeld lässt uns spüren, wie wenig es auf Fragen Antworten geben mag und doch, wenn auch anders als erwartet, Antworten im Raum schweben. „Ja“, sagt die Mutter, damals haben sie mir gegen meinen Willen die Haare geschnitten, damit ich ordentlich zur Einschulung aussehe. Heute lässt sie den Baum fällen.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2023.
„Atomnomaden“
Der Film porträtiert Menschen, die auf Zuruf für Atomkraftwerke in Frankreich arbeiten. In der Hoffnung, so schnell wie möglich an viel Geld zu kommen, nehmen sie ein Leben im Wohnmobil und eine Arbeit unter hoher Strahlenbelastung in Kauf.
Herstellung: Hochschule für Film- und Fernsehen München
Federführung Produktion: Hochschule für Film- und Fernsehen München
Regie: Kilian Armando Friedrich, Tizian Stromp Zagari
Drehbuch: Kilian Armando Friedrich, Tizian Stromp Zagari
Laufzeit: 52 Minuten
„Für die auf Zuruf arbeitenden „Atomnomaden“ sind die dutzenden Atomkraftwerke in Frankreich lukrative Arbeitsstätten. In Kauf nehmen müssen sie ein Leben im Wohnmobil und eine Arbeit unter hoher Strahlenbelastung. In der Hoffnung, so schnell wie möglich an viel Geld zu kommen, reisen sie zigtausende Kilometer durchs Land und kampieren oft in Sichtweite zu den Meilern, die malerisch vor ihnen liegen. Das Bild ist trügerisch. Die Arbeiter und Arbeiterinnen kalkulieren ihre Strahlendosen immer in der Sorge bereits die jährlich erlaubte Höchstdosis erreicht zu haben und nicht mehr weiterarbeiten zu dürfen.
Tizian Stromp Zagari und Kilian Armando Friedrich gelingt in ihrem Dokumentarfilm „Atomnomaden” ein intimes Porträt von Arbeitern und Arbeiterinnen in einer perfiden Arbeitswelt. Wie selbstverständlich beobachten wir die Protagonist*innen in den engen Räumen der Wohnmobile, die im Halbdunkel nach getaner Arbeit noch das private Leben organisieren oder an ihren freien Tagen mit den Meilern im Hintergrund ihre Kinder spielend auf den Schultern tragen. Wir reisen viele Kilometer von dampfenden Atomkraftwerken im morgendlichen Sonnentau zu in der Nacht blinkenden Anlagen und blicken immer tiefer in die Leben der Nomaden, von denen nicht wenige davon träumen eines Tages als Selbstversorger auszusteigen.
Mit einer leichtfüßigen Montage und in bestechenden und poetischen Bildern thematisiert der Film die energiepolitische Frage der führenden Industrienationen. Ihr Energiebedarf wächst stetig und ihr Streben nach Energieunabhängigkeit ist ungebrochen.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2023.