2021 hat Kulturstaatsministerin Grütters die diesjährigen Kurzfilmpreise in der Hochschule für Fernsehen und Film in München verliehen. Die Siegerfilme gingen aus ingesamt zwölf nominierten Kurzfilmen hervor, die von den Auswahlkommissionen aus 236 wettbewerbsfähigen Filmeinreichungen ausgewählt wurden. In voller Länge sind die ausgezeichneten Kurzfilme im kommenden Jahr auf der Kurzfilmtour in deutschen Kinos zu sehen. Hier finden Sie die Trailer sowie die Jurybegründung.
Der Deutsche Kurzfilmpreis ist die wichtigste und höchst dotierte Auszeichnung für den Kurzfilm in Deutschland. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat die Auszeichnungen in diesem Jahr im Rahmen einer Preisgala in der Hochschule für Fernsehen und Film München verliehen. Prämiert wurden Filme in fünf Kategorien. Außerdem wurde auch in diesem Jahr ein Sonderpreis vergeben.
Die Mittezwanzigerin Mia hat es nicht leicht als alleinerziehende Mutter auf dem Land. Als ihrem Sohn Leon vorgeworfen wird, eine goldene Kette geklaut zu haben und dieser dafür von den Mitschülerinnen gehänselt wird, wird Mia zur Löwenmutter.
Herstellung: allergiker UG (haftungsbeschränkt) mit der Hochschule für Fernsehen und Film München
Federführung Produktion: Melissa Byrne
Regie: Anna Roller
Drehbuch: Anna Roller, Maya Duftschmid
Laufzeit: 9 Minuten
„‚Mein Sohn hat nichts geklaut!‘, entgegnet die junge Mutter dem Vorwurf, ihr Kind sei ein Dieb. Ein verächtliches ‚Gör!‘ ist die Antwort darauf. Es gilt nicht nur der Mutter, sondern auch ihrem Sohn. Eine Zuschreibung, abschätzig verwendet für ein ungezogenes, ungehöriges Kind. Zu den großen Stärken dieses Films gehört, dass er jene Trennschärfe zwischen Mutter und Sohn verwischt, und damit von einer doppelten Kindheit erzählt: einer bereits verlorenen – und einer auf Rettung hoffenden.
Dicht inszeniert, erzählt Gör von der Lust und dem Leid, nicht erwachsen zu sein, und es vielleicht niemals zu werden. Ein kluges und überraschendes Spiel mit Vorurteilen – nicht zuletzt unseren eigenen. Ein Film wie eine Liebeserklärung: an die Unangepassten und Verstoßenen, an den Trotz und an die Wut. Die vielleicht stärkste Kraft, die Liebe einer Mutter, gipfelt in einem grandiosen Akt der Selbstjustiz. Ein ebenso berührender wie genau beobachtender Film, mit dem uns Anna Roller in unserer eigenen Haltung und unserem Urteil herausfordert.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.
Cornelia, Juri und Murat gehören zu den „working poor“ und treiben gemeinsam durch ein verworrenes Treppenhaus auf dem Weg hinaus. Doch wohin?
Herstellung: Adrian Figueroa mit HAU Hebbel am Ufer und Film Five
Federführung Produktion: Florian Schewe
Regie: Adrian Figueroa
Drehbuch: Maike Wetzel
Laufzeit: 30 Minuten
„Ein Paketfahrer unter Dauerdruck, zwei Arbeiter, deren Fabrik schließt, eine Frau, die im Home-Office vereinsamt: Exemplarisch an drei unabhängig voneinander erzählten Strängen entwickelt Adrian Figueroa in seinem Dreißigminüter ein erbärmliches Bild heutiger Arbeitsverhältnisse. Auf die Existenzangst zurückgeworfen zerreißt sich jeder um das Wenige, das am Ende zum Leben zu knapp und zum Aufgeben zu viel ist. Die Dynamik des Proletariats, die im Imperativ des Titels PROLL! noch angedeutet wird, scheint endgültig zerschlagen von einem System, das jede und jeden zu Einzelkämpfenden macht und damit keine Kraft für Widerstand lässt. Mit seiner klugen Dramaturgie, dem intensiven Spiel seiner großartigen Besetzung und einer perfekt auf die Figuren abgestimmten Bildgestaltung gelingt dem Film ein wahrhaft beklemmendes Abbild unserer Gegenwart.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.
Auf einem dem Untergang geweihten Kreuzfahrtschiff auf seinem Weg durch die sich auflösende Welt sucht die Kapitänin nach den passenden Abschiedsworten.
Herstellung: Studio Corallo
Federführung Produktion: Hannah Stragholz u. Simon Steinhorst
Regie: Hannah Stragholz u. Simon Steinhorst
Drehbuch: Olivia Schrøder
Laufzeit: 17 Minuten
„Zwar tuckern sie der Apokalypse entgegen, aber irgendwie ist trotzdem alles okay auf diesem Kreuzfahrtschiff. Im Tanzsaal lauschen die Passagiere dem Chansonier, während auf der Brücke die Kapitänin etwas mit sich hadert – aber wirklich nur etwas. Ein verstorbener Vogel könnte ein Vorbote sein, aber andererseits: kann es überhaupt schlimmer kommen, als es schon ist? Schicksalsergeben und nonchalant geht alles seinen beschwingten Trott. Keiner ahnt, dass dieses Schiff im Inneren von einer fleischigen Macht zusammengehalten wird...
Wie ein betrunkenes Schiff wankt DOOM CRUISE von Hannah Stragholz und Simon Steinhorst zwischen kindlichen Gesprächen, archetypischen Eindrücken und beiläufigen Pointen. Die Protagonisten agieren allesamt etwas holprig und befinden sich zugleich in einem magischen Flow, genauso wie die Animationen selbst. Einerlei, ob wir uns in der Bequemlichkeit der Passagiere auf dem Deck des Verderbens wieder erkennen oder alles nur für einen Traum halten – am Ende kommt es ja, wie es am Anfang schon klar war: mit unserem Ende.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.
Die Besucher zweier aristokratischer Museen enthüllen sich nach und nach als Kunst-Performer.
Herstellung: Michel Balagué (VOLTE)
Federführung Produktion: Michel Balagué
Regie: Bárbara Wagner u. Benjamin De Burca
Drehbuch: Bárbara Wagner, Benjamin De Burca, Pedro Sotero, Daniela de Lamare. Joana Luz
Laufzeit: 30 Minuten
"One Hundred Steps"
Quelle: BKM„Führung einer Besuchergruppe durch zwei Schlösser- eines gehört einem Adligen in Irland, ein anderes einem Bürgerlichen in Südfrankreich. Die Gruppe wird durch die Räume geführt. Die Bildeinstellungen reagieren auf die Möglichkeiten der Räume, die größer als Ozeane anmuten und Blicke in Landschaften und Machtverhältnisse offenbaren. Gefilmt in Schwarz-Weiß und großer Sorgfalt. Unnahbar, unfassbar. Dann ein Bruch – unerwartet, eröffnet von einem Blick - einer Achse - dem Zentrum des Kinematografischen. Die Besucher*innen verwandeln sich in Darsteller*innen und spielen auf alten Instrumenten alte Weisen. Die Musik wird zum ephemeren Körper, fungiert als Mittler zwischen Welten. In diesem dritten, akustischem Raum etablieren Wagner & Burca ihr Narrativ, indem die Stimmen und Körper dieser Künstler*innen neue Vorstellungen um festgefahrene historische Narrative schmieden. Machtverhältnisse werden umgekehrt – Erzähler und Zuhörer wechseln sich ab.
Seine Wirkmacht entfaltet ‚One Hundred Steps‘ durch eine sehr genaue hybride Sprache zwischen Dokumentation und Fiktion. Orale Geschichtsschreibung wird zur Musik, wird selber zum Denk-Mal, Hör-Mal, zur großen Schönheit, die nur im Moment selber IST.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.
Zwei Arbeiter des Lebensmittelindustriesektors teilen ihre Erfahrungen, stellen die Nachhaltigkeit dieser Branche grundsätzlich in Frage und zeigen den Zuschauerinnen und Zuschauern den inneren Zerfall des menschlichen Lebens durch das wiederholte mechanisierte Töten tierischen Lebens.
Herstellung: Clara Helbig
Federführung Produktion: Clara Helbig
Regie: Clara Helbig
Laufzeit: 11 Minuten
„Ein Mann steht auf einer Wiese und vollführt mit Händen und Armen Bewegungen in der Luft. Er dreht und wendet sich. Eine Abfolge, die wiederholt wird. Performation im Raum. Dann geht es über in die Worte und den Versuch Erfahrungen zu vermitteln, die nur schwer vermittelbar sind. Worte als Hilfsmittel- die Wiederholung der Abläufe eine Möglichkeit Traumata zu überwinden. Die Zeit heilt manchmal keine Wunden. Zwei Männer, die aus unterschiedlichen Gründen in der Fleischindustrie gelandet sind und dort Jahre gearbeitet haben, berichten von ihren Erlebnissen. Die Männer erzählen von der Arbeit und dessen Auswirkungen auf ihr eigenes privates Leben.
In nur 10 Minuten erfasst Clara Helbig die Essenz des mechanisierten Tötens und dessen Rückwirkung auf den inneren moralischen Zerfall des Menschen. Unterschiedlichste visuelle Strategien geben dem Film seine Struktur. Schlicht, ergreifend, überwältigend. Tiere und Menschen brauchen dieses Leben und dieses Sterben nicht. DISJOINTED bietet einen Raum, um nicht aufzuhören darüber zu sprechen, was hinter geschlossenen Türen tagtäglich in aller Kälte passiert.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.
Wir hören Musik und sind auf dem Weg. Dabei sehen wir die Dinge und die Welt anders als zuvor, damit es nicht immer so weitergeht, sondern besser werden kann.
Produktion: Nicolaas Schmidt, Anne Döring
Regie: Nicolaas Schmidt
„Flackernde Schattierungen von Rot – Lichtstrahlen durchdringen die dünne Haut des geschlossenen Augenlids. Unvermittelt bricht die untergehende Sonne zwischen Bäumen und Häusern durch. In sich gekehrt, träge und doch im Fluss von Musik, Licht und den Kreisbewegungen der Hamburger Ringbahn öffnet ein jugendlicher Fahrgast behutsam seine Augen. Die vorbeiziehende Stadtlandschaft kommt zum Stehen; ein Song endet und die Szenerie kippt ins Dokumentarische bis ein attraktiver Gleichaltriger gegenüber Platz nimmt. Ein Möglichkeitsraum schimmert zwischen bedeutungsvollen oder doch nur zufälligen Gesten hindurch, zwischen hektischen Augenbewegungen, die mal Kontakt suchen, mal ausweichen. Über die Zusammenkunft der beiden Heranwachsenden und ihre fragilen Geschlechterrollen legt sich ein neuer Song wie eine verführerische Idee.
Nicolaas Schmidt dehnt für FIRST TIME einen entrückten wie alltäglichen Kippmoment ins Unendliche. Dieser scheint ähnlich aufgeladen wie ein Coca-Cola-Werbespot aus den 1980er Jahren, der im Übrigen den Found-Footage-Prolog zum Film stellt. Doch während der Werbeclip normative Lebensmuster und Konsumbedürfnisse als Bedingung von Glückseligkeit kurzschschließt, schwebt Schmidt’s Arbeit in Ambiguitäten: Sie feiert den eskapistischen Moment im Alltag und kritisiert dessen kapitalistische Einverleibung auf eine Art, die zugleich von Parodie und sinnlicher Teilnahme bestimmt ist.“
Die Jurys werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grundlage von Vorschlägen der Verbände und Einrichtungen des deutschen Films berufen. Lesen Sie hier mehr zu den Jurys 2021.