„Wir wollen lernen aus der Auseinandersetzung mit unserer Kolonialgeschichte und wir wollen Verantwortung übernehmen“, erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Dezember 2022 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Dort gab Roth gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock bei einer feierlichen Zeremonie das erste Konvolut von Benin-Bronzen an Nigeria zurück. Diese Rückgabe war ein wichtiger Schritt für einen Neubeginn in den kulturpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika. Denn die Bundesregierung möchte die Zusammenarbeit mit Afrika stärken und ausbauen.
Die 20 Objekte, die Roth und Baerbock in Abuja übergaben, stammten aus den fünf deutschen Museen in Berlin, Hamburg, Leipzig, Stuttgart und Köln, die in der Benin Dialogue Group vertreten sind. Zuvor hatten Roth und Baerbock Vertretern der nigerianischen Regierung am 1. Juli 2022 bereits zwei Benin-Bronzen überreicht, die sich in der Sammlung des Ethnologischen Museums der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) befanden.
Gemeinsame Politische Erklärung über die Rückgabe der Benin-Bronzen
Vorausgegangen war die Unterzeichnung einer Gemeinsamen Politischen Erklärung über die Rückgabe von Benin-Bronzen und bilaterale Museumskooperation. Sie bildet die Grundlage für zukünftige Rückgabevereinbarungen zwischen den deutschen Museen und der nigerianischen National Commission for Museums and Monuments (NCMM) und ermöglicht Eigentumsübertragungen und physische Rückgaben an Nigeria sowie Leihgaben.
Gemeinsame Politische Erklärung über die Rückgabe von Benin-Bronzen und bilaterale Museumskooperation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Nigeria vom 1. Juli 2022
Joint Declaration on the Return of Benin Bronzes and Bilateral Museum Cooperation (PDF, 277KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Die Rückgabevereinbarungen der fünf deutschen Museen der Benin Dialogue Group mit Nigeria basieren auf dieser Gemeinsamen Erklärung. Vorreiter war hier die SPK, die im August 2022 das Eigentum an allen 512 Benin-Bronzen aus der Sammlung des Ethnologischen Museums an Nigeria übertragen hat. Vereinbart wurde auch, dass etwa ein Drittel der Bronzen zunächst zehn Jahre als Leihgabe in Berlin verbleibt und im Humboldt Forum ausgestellt wird.
Rückgaben wie diese sind Ausgangspunkt für eine engere internationale Zusammenarbeit im Kulturbereich und ein wichtiger Beitrag zu einer gemeinsamen Zukunft von Europa und den vom Kolonialismus betroffenen Gesellschaften.
TheMuseumsLab
Von zentraler Bedeutung für diese Zusammenarbeit ist auch das Projekt TheMuseumsLab. Das Projekt bringt seit Mai 2021 Nachwuchsführungskräfte europäischer und afrikanischer Museen und Institutionen zusammen, um sich miteinander über die Zukunft von Museen auszutauschen, fortzubilden, voneinander zu lernen sowie Netzwerke aufzubauen und zu stärken.
Das Projekt ist ein wichtiger Schritt hin zur Agentur für Internationale Museumskooperation. Es wird vom Auswärtigen Amt gefördert und in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien umgesetzt.
Vorbild Humboldt Forum
Eine besondere Verantwortung liegt bei den Museen der SPK im Berliner Humboldt Forum, die bei der Aufarbeitung und Erforschung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten besonders im Fokus stehen. Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst können bereits auf zahlreiche abgeschlossene und laufende Projekte aufbauen. Die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und Mitgliedern von Herkunftsgesellschaften ist integraler Bestandteil ihres Ausstellungskonzeptes.
Umgang mit menschlichen Gebeinen
Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände vertreten gemeinsam die Überzeugung, dass menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten nicht in unsere Museen und Sammlungen gehören, sondern an die Herkunftsgesellschaften zurückzuführen sind. Deshalb haben der angemessene Umgang mit menschlichen Gebeinen und Maßnahmen zur Rückführung höchste Priorität bei der Aufarbeitung.
Eine wichtige Grundlage dafür liefert eine deutschlandweite Umfrage, die die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland 2023 im Auftrag von Bund, Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden durchgeführt hat. Die Umfrageergebnisse bieten erstmals eine Übersicht über menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten in Museen und universitären Sammlungen. Die nächsten Schritte sollen nun zusammen mit Expertinnen und Experten, insbesondere aus den Herkunftsländern, beraten werden.
Im April 2023 hat die SPK vier iwi kūpuna (menschliche Gebeine hawaiianischer Abstammung) sowie sieben moepū (Grabbeigaben) an Hui Iwi Kuamo'o, eine Organisation der hawaiianischen First Nations, die das Office of Hawaiian Affairs (OHA) vertritt, übergeben. Die menschlichen Gebeine befanden sich seit 2011 in der Obhut des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Grabbeigaben waren rund 135 Jahre Teil der Sammlung des Ethnologischen Museums. In einem ersten Schritt wurden bereits im Februar 2022 32 iwi kūpuna an Hui Iwi Kuamo'o restituiert, deren Mitglieder nach Berlin reisten, um die Ahnen in ihre Heimat zu begleiten.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien fördert aktuell ein umfangreiches dreijähriges Forschungsprojekt zu menschlichen Gebeine aus Westafrika am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin. Ziel ist es insbesondere, Rückführungen zu ermöglichen.
Stand: Freitag, 29. Dezember 2023